Atlantiküberfahrt
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SO
13.5 |
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Mit dem Taxi zum Schiff |
15 Uhr soll ich an Bord
der Canmar Courage einchecken. So lautet der Reiseplan. Leicht gesagt. In
Hamburg findet das Hafenfest statt. Viele Leute sind in der Stadt. Taxis
sind kaum zu finden. Mit etwas Glück erwische ich dann doch noch eins. Doch
zu früh gefreut. Auch die Strassen sind verstopft. Überall Stau. Zu Glück
legt das Schiff erst um 22 Uhr ab. |
Auf dem Hafengelände |
Endlich gegen 16 Uhr bin ich an der
Porte zum Containerhafen. Ein kleiner VW-Bus kommt hier regelmässig
vorbei und fährt die Passagiere zu den Containerfrachtschiffen. Zoll-
oder andere Kontrollen gibt es keine. |
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Mit dem Bus fahren
wir durch das Hafengelände. Die Container stehen hier zuhauf herum.
Ein wahres Labyrinth. |
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Das
Schiff (I) |
Endlich sind wir bei unserem Schiff.
Ein Mordskahn: Jahrgang 1996 mit 216m Länge, 32m Breite, 34'000 Tonnen
Bruttoregister. Es können in der Breite maximal 11 Container nebeneinander,
7 Container im Rumpf und noch einmal 4 Container über Deck aufeinander
geladen werden. Über die ganze Länge des Schiffes können wiederum 11 Container
hintereinander plaziert werden. Bedingt durch die Bauform können so gegen
1200 Container geladen werden!
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Der Steward |
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Unser Steward erwartet
uns bereits. Er heisst Fernandez und kommt wie die ganze übrige Mannschaft
aus Indien. |
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Die
anderen Passagiere |
Vier weitere
Passagiere sind noch an Bord: |
Ingrid und Hans-August aus Zelle.
Ehemals eigenständige Unternehmer im Textilbereich, heute herumreisende
Rentner im Ruhestand, welche Freunde auf einer Farm in der Nähe von
Toronto besuchen gehen. |
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Silke aus Hamburg.
Silke macht gerade noch mit ihren Begleitpersonen eine Besichtigungstour.
Erstaunlich, dass man Begleitpersonen noch bis zum letzten Moment
mit bis auf das Schiff nehmen darf. |
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André aus Paris.
Ihn habe ich bereits auf der Fahrt zum Schiff im Bus kennen gelernt.
Er hat bei der franz. Staatsbahn gearbeitet, ist bereits mit 54 Jahren
pensioniert worden und geht nun auch ein Jahr auf Reisen... |
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Das Essen (I) |
Um
18 Uhr gibt es indisches Nachtessen. Mehr dazu später... |
Ablegen |
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Punkt 22 Uhr wird unser Kahn von
einem kleinen bulligen Schlepper aus dem Hafen gezogen. Ein Lotse
übernimmt das Kommando an Bord.
Leider sehen wir nicht mehr viel die Elbe hinunter weil es schon ziemlich
dunkel geworden ist. Dennoch ist alles sehr beeindruckend und abenteuerlich. |
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MO
14.5 |
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Die Route (I) |
Ah so, die Fahrt geht nicht durch
den Ärmelkanal, aha, um Schottland herum. Warum weiss keiner so recht.
Wir müssen mal bei Gelegenheit den Kapitän fragen.
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Das Essen (II) |
Frühstück |
7h30
bis 8h30 |
Saft,
Eier, Toast, Kaffee, Tee, UHT Milch und Müesli. |
Mittagessen |
12h
bis 13h |
Mittag- und Nachtessen
variieren von mild bis ungeniessbar scharf mit Chicken, Schaf, mit
Reis, Fladenbroten, Gemüsebeilagen und Salaten. Mir hat's wie fast
allen anderen auch meistens gescheckt. |
Abendessen |
18h
bis 19h |
Das Essen wurde uns
in der Offiziersmesse von Fernandez serviert.
An Bord gibt es auch Duty Free. Fernandez erklärt uns, dass wir nur
einmal für die ganze Woche bestellen können. Ganze Kartons Bier und
Cola, Wein, etc. Keiner versteht ihn so recht und wir bekommen vom
zuständigen Offizier fast jeden Tag eine Ausnahmelieferung zugestellt. |
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Die Brücke |
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Nachher beginnen wir
unsere ersten Erkundungsausflüge. Rauf zur Brücke auf Deck 7. Nach
vorne zum Bug, nach hinten zum Heck. |
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Die Infrastruktur |
Neben unseren Kabinen steht uns eine
Guest Lounge mit TV und Video und ein Fitnessraum mit Ping-Pong Tisch
und zwei Velofitnessmaschienen zur Verfügung. |
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Seekrank (I) |
Upps. Gegen abend wir die See stürmisch.
Insider meinen aber, dass sei gar nichts verglichen mit wilden Herbststürmen.
Das Megateil beginnt nun leicht, aber ganz bestimmt um die Längsachse
zu gieren. Gar nicht gut. Meine guten Vorsätze, den Trip ohne Anti-Seekrank-Anti-K...-Mitteli
zurückzulegen sind schnell verflogen. Schnell ein Pflaster hinters
Ohr (Wirkung in sechs Stunden) und etwas in meiner Kopie hinlegen.
Fürs erste bin ich gerettet. |
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DI
15.5 |
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Die Route (II) |
Um Schottland herum und Kurs West-Südwestlich
ins nichts. Weit und breit ist jetzt nur Wasser zu sehen.
In dieser heute Nacht wurden die Uhren erstmals um eine Stunde zurückgestellt.
Dies gilt auch für die kommenden 5 Tage. |
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Seekrank (II) |
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Die Medikamente wirken und ich geniesse
den tollen Rundblick vom Dach über der Kommandobrücke. Wolken abwechselnd
mit Sonnenschein. Eine herrliche Fahrt. |
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Es macht viel Spass, auf den steilen Aussentreppen herumzuturnen.
Ingrid hat hier ein windstilles Plätzchen gefunden. Dick eingepackt
zieht sie eine CD rein. |
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Die Augen (I) |
Aber oh. Irgendetwas
stimmt nicht. Ich kann nicht mehr lesen. Irgendwie spielen die Augen verrückt.
Werde ich urknallmässig kurzsichtig? Was kann das sein? Vorbei ist es mit
Lesen, Compüterlen etc. Das Motto lautet nun Herumhängen, Video's schauen
(Matrix), Scrabble spielen. |
MI
16.5 |
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Die Route (III) |
Auf hoher See. Die Nordpassage von
Newfoundland ist wegen Eis nicht passierbar. Der Kurs geht deshalb genau
auf die südliche Spitze von Newfoundland zu. Das bedeutet 8 Stunden Umweg.
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Die Augen
(II) |
Die
Augen spielen immer noch verrückt. Was kann das sein? Die Packungsbeilage
meiner Novartis Scopoderm TTS Pflästerli gibt Aufschluss. Zitat Nebenwirkungen:
Häufig verschwommenes Sehen (Nahsicht) und Pupillenerweiterung (auch einseitig),
vor allem dann, wenn Wirkstoffreste von den Händen in die Augen gelangen.
Was ist nun das kleinere Übel? Wie eine blinde Kuh auf dem Schiff herumirren
oder elendig unter Seekrankheit leiden? Spontan entschliesse ich mich, nochmals
meine Hochseetüchtigkeit unter Beweis zu stellen und entferne das Pflaster
hinter dem Ohr. |
DO
17.5 |
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Die Route (IV) |
Immer noch auf hoher See. Manchmal
ist die See glatt wie ein Spiegel und dann wieder ziemlich rauh. Wir
nähern uns Newfoundland, hier wo der kalte Labradorstrom mit dem Golfstrom
zusammenstösst. Auf der GPS unterstützten Karte kann man den Kurs
sehen. Bald kommt dichter Neben auf. Man sieht nicht einmal mehr die
Schiffsspitze. Auf der Brücke beobachten die leitenden Offiziere ununterbrochen
das Radar. Alle 30 Sekunde geht das Nebelhorn. Titanik-Stimmung kommt
auf. Wann stossen wir auf den ersten Eisberg? |
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Die Augen
(III) |
Die
Medikamente scheinen ziemlich lange auf die Augen zu wirken, denn die Sehschärfe
ist immer noch stabil schlecht. Dem gegenüber lässt die Anti-Seekrankheits-Wirkung
langsam aber stetig mit jeder grossen Welle nach und wieder baut sich ein
unangenehmer Druck in der Gegend vom Gurgeli und im Magen auf. Kommt nun
das Unvermeidliche? Zum Glück hat mir mein Hausarzt noch Torecan Zäpfli
von Novartis gegeben. Also, rein mit den Fudiraketen. Diese wirken unerwartet
schnell. |
FR
18.5 |
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Die Route (V) |
Wir befinden uns jetzt an der südöstlichen
Ecke von Newfoundland. In der Ferne sind Schneeberge zu sehen. Leider
ist das Wetter immer er noch etwas diesig.
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Der Maschienenraum |
Heute dürfen wir endlich den Maschienenraum
besichtigen. 10 Uhr 30 werden wir erwartet. Es ist sehr lärmig. Wir
bekommen alle Ohrenschütze. Die wirken prima. Dafür verstehen jetzt
den indischen Maschinen-Ingenieur nicht mehr. |
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Der Motor |
Dennoch: 28'000
PS hat das Teil und wird mit Schweröl betrieben. Daneben gibt es Stromaggregate
für die Bordspannungsversorgung, Wasserentsalzungsanlagen für das Trink-
bzw. Süsswasser an Bord und sonst noch viele andere Apparate zu sehen. Ganz
unten hinten ist die etwa ein halber Meter Dicke Schiffswelle zu sehen,
die mit ca. 90 Umdrehungen pro Minute mit der Schiffsschraube flotte 20
Knoten (36 km/h) zu Wege bringt. Gleich daneben ist der Schiffsrumpf zu
sehen, der sich schwungvoll gegen hinten zur Schiffsschraube verjüngt. Ziemlich
beeindruckend, wenn man bedenkt, wie weit wir hier unter der Wasserlinie
sind. |
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20 Knoten sind
ganz schön schnell. Wer's nicht glaubt kann hier
einen kleinen 15 Sek. lang dauernden Film anschauen. Aber aufgepasst. Die
Datei ist 5,4 MB gross! |
Die Augen (IV) |
Die
Augen sind immer noch nicht besser. Langsam werde ich nervös. Schon sehe
ich die Schlagzeile auf der Blick-Titelseite vor mir: „Unerschrockener Schweizer
auf hoher See erblindet auf mysteriöse Art und Weise“. Oder muss ich mich
mit dem Gedanken anfreunden, eine Brille zu tragen? |
SA
19.5 |
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Die Route (VI) |
Wir befinden uns jetzt an der südwestlichen
Ecke von Newfoundland. Leider ist das Wetter immer er noch etwas trüb.
Die See ist hier aber ruhig im Sommer der Türlersee. |
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Die Augen (V) |
Endlich sind
die Augen wieder in Ordnung. Ich bin sehr sehr erleichtert. |
Rettungsübung |
Heute
findet eine Seerettungsübung statt. Punkt 16 Uhr 10 stehen wir schon
vor dem Alarm mit Schwimmweste und Fotoapparat voll ausgerüstet zur
Übung bereit. Der Alarm geht los. Alle Türen schliessen sich automatisch.
Nun müssen wir zur Brücke hoch und in Kapitäns Obhut einmal abwarten.
Dann geht es die vielen steilen Aussentreppen hinunter zum Besammlungsplatz
beim Rettungsboot. Für jedes Besatzungsmitglied bzw. jeden Passagier
ist ein kleiner Kreis beim Besammlungsplatz am Boden markiert und
mit Funktion bezeichnet. Leider hat es nicht genügend Kreise. Silke
steht auf dem Kapitänsplatz. Na ja, der Drill lässt etwas zu wünschen
übrig. Und nun alle schnell ins Rettungsboot. Diese gleicht mehr einem
U-Boot. Drinnen müssen wir uns Anschnallen. Verpflegung wird auch
an Bord gebracht und der verantwortliche Offizier erklärt uns, dass
im Ernstfall alle Pillen gegen Seekrankheit einnehmen müssen. Ende
der Übung. Alle wieder raus und an die Arbeit. Sinnvolle Sache, nur
leider am zweitletzten Reisetag doch etwas spät. |
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SO
20.5 |
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St. Lorenzfluss |
Es ist Sonntag. Wir befinden uns
im St. Lorenzgolf Eingangs zum St. Lorenzfluss. Wir freuen uns auf die
Fahrt den Fluss hinauf. Leider hat es in der ersten Tageshälfte ziemlich
viel Nebel. Gegen Mittag passieren wir eine Stelle, wo ein Nebelfluss
in den St. Lorenzstrom mündet. Hier können sehr oft Wale beobachtet werden,
da es hier im Nährstoffreichen Wasser sehr viel Futter gibt. Der Nebel
ist aber ziemlich dicht und wir können keine Wale sehen.
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Schönes Wetter |
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Später kommt ein Lotse an Bord und
navigiert das Boot stromaufwärts. Plötzlich klärt der Himmel
auf und es herrschen sommerliche Temperaturen. |
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Quebec |
Herrlich. Gegen
7 Uhr Abends passieren wir Quebec. Nach Quebec passieren wir zwei Brücken.
Erst jetzt realisieren wir, dass wir seit der Abfahrt in Hamburg noch nie
unter einer Brücke durchgefahren sind. Später sehen wir einen herrlichen
Sonnenuntergang. |
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Marseillaise |
Der Lotse erzählt
André von einem Typ, der am Ufer wohnt, kuriose Geschichten. Bei jeder Schiffspassage
soll er am Fenster stehen und winken. Als wir uns so gegen 22h der Stelle
näherten, Ruf der Lotse diesen Typ per Funk an, erzählt ihm, dass ein Franzose
(André) an Bord sei und er für uns doch bitte die Marseillaise
spielen soll. Gesagt getan. Hoch von einer steilen
Uferböschung, welche mit zahlreichen Fahnen geschmückt ist, wird uns das
besagte Stück über den Fluss zugespielt. Silke erzählt uns, dass es bei
Hamburg tagsüber ein Stelle gibt, wo offiziell auch für jedes Schiff die
Nationalhymne gespielt wird. |
Das Essen (III) |
Heute
gibt es richtig guten Sonntags-Food. Zum Frühstück Spiegelei, Speck und
Pommes Fritten. Zu Mittag ganz mildes Lamm und zum Abendessen Pizza mit
Eiscreme. Silke schlägt das erste mal so richtig zu. Mhmm. |
MO
21.5 |
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Montréal |
Früh um halb fünf in der Früh wache
ich schon auf. Die täglichen Zeitverschiebungen zeigen Wirkung. Also rauf
auf die Brücke und die letzten Kilometern den St. Lorenzstrom hinauf geniessen.
Ein herrlicher Sonnenaufgang empfängt uns in der Gegend von Montreal. Pünktlich
wie angekündigt legen wir um 6 Uhr im Hafen an. |
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Abschied |
Und plötzlich geht alles sehr schnell.
7h30 Frühstück. 8h Zollbeamte an Bord: Was die alles wissen wollen. Und
wie die erst hellhörig wurden, als ich erzählt habe, dass ich Arbeit und
Wohnung in der Schweiz gekündigt habe und ca. ein Jahr auf Reise gehen will.
Irgendwie konnte ich meine ganzen Pläne dann doch genügend glaubhaft kommentieren,
so dass mich die Einwanderungsbehörden doch nicht wegen Verdacht auf Schwarzarbeit
gleich wieder zurückgeschickt haben. Dann kurz Abschiednehmen von den anderen
Passagieren bevor wir dann mit zwei Taxis um 8h30 Taxi zum Hauptbahnhof
von Montreal gebracht werden. Andre bleibt noch 3 Tage in Montreal. Silke,
Ingrid und Hans-August gehen zusammen mit dem Zug nach Toronto. |
Resumé |
Ich glaube man kann's erahnen. Es
war toll. Die 8 Tage sind einerseits schnell vergangen, andererseits hatten
wir oft den Eindruck, dass wir schon lange mit dem Schiff unterwegs waren.
Werde ich je wieder eine Containerschiffreise unternehmen? Ich glaube nicht.
Der Gedanke, einmal schwere See zu erleben, lässt mir schon hier auf dem
Trockenen ein mulmiges Gefühl in der Magengegend aufkommen. |
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