Atlantiküberfahrt
 
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Mit dem Taxi zum Schiff 15 Uhr soll ich an Bord der Canmar Courage einchecken. So lautet der Reiseplan. Leicht gesagt. In Hamburg findet das Hafenfest statt. Viele Leute sind in der Stadt. Taxis sind kaum zu finden. Mit etwas Glück erwische ich dann doch noch eins. Doch zu früh gefreut. Auch die Strassen sind verstopft. Überall Stau. Zu Glück legt das Schiff erst um 22 Uhr ab.
Auf dem Hafengelände
Endlich gegen 16 Uhr bin ich an der Porte zum Containerhafen. Ein kleiner VW-Bus kommt hier regelmässig vorbei und fährt die Passagiere zu den Containerfrachtschiffen. Zoll- oder andere Kontrollen gibt es keine.  hafenplan.jpg (117396 bytes)
Mit dem Bus fahren wir durch das Hafengelände. Die Container stehen hier zuhauf herum. Ein wahres Labyrinth. 
Das Schiff (I)

Endlich sind wir bei unserem Schiff. Ein Mordskahn: Jahrgang 1996 mit 216m Länge, 32m Breite, 34'000 Tonnen Bruttoregister. Es können in der Breite maximal 11 Container nebeneinander, 7 Container im Rumpf und noch einmal 4 Container über Deck aufeinander geladen werden. Über die ganze Länge des Schiffes können wiederum 11 Container hintereinander plaziert werden. Bedingt durch die Bauform können so gegen 1200 Container geladen werden!

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Der Steward
fernandez.jpg (19966 bytes) Unser Steward erwartet uns bereits. Er heisst Fernandez und kommt wie die ganze übrige Mannschaft aus Indien.
Die anderen Passagiere Vier weitere Passagiere sind noch an Bord:
Ingrid und Hans-August aus Zelle.
Ehemals eigenständige Unternehmer im Textilbereich, heute herumreisende Rentner im Ruhestand, welche Freunde auf einer Farm in der Nähe von Toronto besuchen gehen.
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silke.jpg (36103 bytes) Silke aus Hamburg.
Silke macht gerade noch mit ihren Begleitpersonen eine Besichtigungstour.  Erstaunlich, dass man Begleitpersonen noch bis zum letzten Moment mit bis auf das Schiff nehmen darf.
André aus Paris.
Ihn habe ich bereits auf der Fahrt zum Schiff im Bus kennen gelernt. Er hat bei der franz. Staatsbahn gearbeitet, ist bereits mit 54 Jahren pensioniert worden und geht nun auch ein Jahr auf Reisen...

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Das Essen (I) Um 18 Uhr gibt es indisches Nachtessen. Mehr dazu später...
Ablegen

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Punkt 22 Uhr wird unser Kahn von einem kleinen bulligen Schlepper aus dem Hafen gezogen. Ein Lotse übernimmt das Kommando an Bord.
Leider sehen wir nicht mehr viel die Elbe hinunter weil es schon ziemlich dunkel geworden ist. Dennoch ist alles sehr beeindruckend und abenteuerlich.
MO 14.5  
Die Route (I)

Ah so, die Fahrt geht nicht durch den Ärmelkanal, aha, um Schottland herum. Warum weiss keiner so recht. Wir müssen mal bei Gelegenheit den Kapitän fragen.

Das Essen (II)
Frühstück  7h30 bis 8h30 Saft, Eier, Toast, Kaffee, Tee, UHT Milch und Müesli.
Mittagessen  12h bis 13h Mittag- und Nachtessen variieren von mild bis ungeniessbar scharf mit Chicken, Schaf, mit Reis, Fladenbroten, Gemüsebeilagen und Salaten. Mir hat's wie fast allen anderen auch meistens gescheckt.
Abendessen  18h bis 19h
Das Essen wurde uns in der Offiziersmesse von Fernandez serviert.
An Bord gibt es auch Duty Free. Fernandez erklärt uns, dass wir nur einmal für die ganze Woche bestellen können. Ganze Kartons Bier und Cola, Wein, etc. Keiner versteht ihn so recht und wir bekommen vom zuständigen Offizier fast jeden Tag eine Ausnahmelieferung zugestellt.
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Die Brücke
kommandobruecke.jpg (53477 bytes) Nachher beginnen wir unsere ersten Erkundungsausflüge. Rauf zur Brücke auf Deck 7. Nach vorne zum Bug, nach hinten zum Heck.
Die Infrastruktur
Neben unseren Kabinen steht uns eine Guest Lounge mit TV und Video und ein Fitnessraum mit Ping-Pong Tisch und zwei Velofitnessmaschienen zur Verfügung. aufenthaltsraum.jpg (33788 bytes)
Seekrank (I)
Upps. Gegen abend wir die See stürmisch. Insider meinen aber, dass sei gar nichts verglichen mit wilden Herbststürmen. Das Megateil beginnt nun leicht, aber ganz bestimmt um die Längsachse zu gieren. Gar nicht gut. Meine guten Vorsätze, den Trip ohne Anti-Seekrank-Anti-K...-Mitteli zurückzulegen sind schnell verflogen. Schnell ein Pflaster hinters Ohr (Wirkung in sechs Stunden) und etwas in meiner Kopie hinlegen. Fürs erste bin ich gerettet.
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DI 15.5  
Die Route (II)
Um Schottland herum und Kurs West-Südwestlich ins nichts. Weit und breit ist jetzt nur Wasser zu sehen.
In dieser heute Nacht wurden die Uhren erstmals um eine Stunde zurückgestellt. Dies gilt auch für die kommenden 5 Tage.

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Seekrank (II)
pit1.jpg (41079 bytes) Die Medikamente wirken und ich geniesse den tollen Rundblick vom Dach über der Kommandobrücke. Wolken abwechselnd mit Sonnenschein. Eine herrliche Fahrt. 
Es macht viel Spass, auf den steilen Aussentreppen herumzuturnen. Ingrid hat hier ein windstilles Plätzchen gefunden. Dick eingepackt zieht sie eine CD rein. aussentreppen.jpg (60075 bytes)
Die Augen (I) Aber oh. Irgendetwas stimmt nicht. Ich kann nicht mehr lesen. Irgendwie spielen die Augen verrückt. Werde ich urknallmässig kurzsichtig? Was kann das sein? Vorbei ist es mit Lesen, Compüterlen etc. Das Motto lautet nun Herumhängen, Video's schauen (Matrix), Scrabble spielen.
MI 16.5  
Die Route (III)

Auf hoher See. Die Nordpassage von Newfoundland ist wegen Eis nicht passierbar. Der Kurs geht deshalb genau auf die südliche Spitze von Newfoundland zu. Das bedeutet 8 Stunden Umweg.

Die Augen (II) Die Augen spielen immer noch verrückt. Was kann das sein? Die Packungsbeilage meiner Novartis Scopoderm TTS Pflästerli gibt Aufschluss. Zitat Nebenwirkungen: Häufig verschwommenes Sehen (Nahsicht) und Pupillenerweiterung (auch einseitig), vor allem dann, wenn Wirkstoffreste von den Händen in die Augen gelangen. Was ist nun das kleinere Übel? Wie eine blinde Kuh auf dem Schiff herumirren oder elendig unter Seekrankheit leiden? Spontan entschliesse ich mich, nochmals meine Hochseetüchtigkeit unter Beweis zu stellen und entferne das Pflaster hinter dem Ohr.
DO 17.5  
Die Route (IV)
Immer noch auf hoher See. Manchmal ist die See glatt wie ein Spiegel und dann wieder ziemlich rauh. Wir nähern uns Newfoundland, hier wo der kalte Labradorstrom mit dem Golfstrom zusammenstösst. Auf der GPS unterstützten Karte kann man den Kurs sehen. Bald kommt dichter Neben auf. Man sieht nicht einmal mehr die Schiffsspitze. Auf der Brücke beobachten die leitenden Offiziere ununterbrochen das Radar. Alle 30 Sekunde geht das Nebelhorn. Titanik-Stimmung kommt auf. Wann stossen wir auf den ersten Eisberg?
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Die Augen (III) Die Medikamente scheinen ziemlich lange auf die Augen zu wirken, denn die Sehschärfe ist immer noch stabil schlecht. Dem gegenüber lässt die Anti-Seekrankheits-Wirkung langsam aber stetig mit jeder grossen Welle nach und wieder baut sich ein unangenehmer Druck in der Gegend vom Gurgeli und im Magen auf. Kommt nun das Unvermeidliche? Zum Glück hat mir mein Hausarzt noch Torecan Zäpfli von Novartis gegeben. Also, rein mit den Fudiraketen. Diese wirken unerwartet schnell.
FR 18.5  
Die Route (V)

Wir befinden uns jetzt an der südöstlichen Ecke von Newfoundland. In der Ferne sind Schneeberge zu sehen. Leider ist das Wetter immer er noch etwas diesig.

Der Maschienenraum
Heute dürfen wir endlich den Maschienenraum besichtigen. 10 Uhr 30 werden wir erwartet. Es ist sehr lärmig. Wir bekommen alle Ohrenschütze. Die wirken prima. Dafür verstehen jetzt den indischen Maschinen-Ingenieur nicht mehr.
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Der Motor Dennoch: 28'000 PS hat das Teil und wird mit Schweröl betrieben. Daneben gibt es Stromaggregate für die Bordspannungsversorgung, Wasserentsalzungsanlagen für das Trink- bzw. Süsswasser an Bord und sonst noch viele andere Apparate zu sehen. Ganz unten hinten ist die etwa ein halber Meter Dicke Schiffswelle zu sehen, die mit ca. 90 Umdrehungen pro Minute mit der Schiffsschraube flotte 20 Knoten (36 km/h) zu Wege bringt. Gleich daneben ist der Schiffsrumpf zu sehen, der sich schwungvoll gegen hinten zur Schiffsschraube verjüngt. Ziemlich beeindruckend, wenn man bedenkt, wie weit wir hier unter der Wasserlinie sind.
20 Knoten sind ganz schön schnell. Wer's nicht glaubt kann hier einen kleinen 15 Sek. lang dauernden Film anschauen. Aber aufgepasst. Die Datei ist 5,4 MB gross!  
Die Augen (IV) Die Augen sind immer noch nicht besser. Langsam werde ich nervös. Schon sehe ich die Schlagzeile auf der Blick-Titelseite vor mir: „Unerschrockener Schweizer auf hoher See erblindet auf mysteriöse Art und Weise“. Oder muss ich mich mit dem Gedanken anfreunden, eine Brille zu tragen?
SA 19.5  
Die Route (VI)
Wir befinden uns jetzt an der südwestlichen Ecke von Newfoundland. Leider ist das Wetter immer er noch etwas trüb. Die See ist hier aber ruhig im Sommer der Türlersee. ruhige_see.jpg (20518 bytes)
Die Augen (V) Endlich sind die Augen wieder in Ordnung. Ich bin sehr sehr erleichtert.
Rettungsübung
Heute findet eine Seerettungsübung statt. Punkt 16 Uhr 10 stehen wir schon vor dem Alarm mit Schwimmweste und Fotoapparat voll ausgerüstet zur Übung bereit. Der Alarm geht los. Alle Türen schliessen sich automatisch. Nun müssen wir zur Brücke hoch und in Kapitäns Obhut einmal abwarten. Dann geht es die vielen steilen Aussentreppen hinunter zum Besammlungsplatz beim Rettungsboot. Für jedes Besatzungsmitglied bzw. jeden Passagier ist ein kleiner Kreis beim Besammlungsplatz am Boden markiert und mit Funktion bezeichnet. Leider hat es nicht genügend Kreise. Silke steht auf dem Kapitänsplatz. Na ja, der Drill lässt etwas zu wünschen übrig. Und nun alle schnell ins Rettungsboot. Diese gleicht mehr einem U-Boot. Drinnen müssen wir uns Anschnallen. Verpflegung wird auch an Bord gebracht und der verantwortliche Offizier erklärt uns, dass im Ernstfall alle Pillen gegen Seekrankheit einnehmen müssen. Ende der Übung. Alle wieder raus und an die Arbeit. Sinnvolle Sache, nur leider am zweitletzten Reisetag doch etwas spät.
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SO 20.5  
St. Lorenzfluss

Es ist Sonntag. Wir befinden uns im St. Lorenzgolf Eingangs zum St. Lorenzfluss. Wir freuen uns auf die Fahrt den Fluss hinauf. Leider hat es in der ersten Tageshälfte ziemlich viel Nebel. Gegen Mittag passieren wir eine Stelle, wo ein Nebelfluss in den St. Lorenzstrom mündet. Hier können sehr oft Wale beobachtet werden, da es hier im Nährstoffreichen Wasser sehr viel Futter gibt. Der Nebel ist aber ziemlich dicht und wir können keine Wale sehen.

Schönes Wetter
wald_am_fluss.jpg (33218 bytes) Später kommt ein Lotse an Bord und navigiert das Boot stromaufwärts. Plötzlich klärt der Himmel auf und es herrschen sommerliche Temperaturen. 
Quebec Herrlich. Gegen 7 Uhr Abends passieren wir Quebec. Nach Quebec passieren wir zwei Brücken. Erst jetzt realisieren wir, dass wir seit der Abfahrt in Hamburg noch nie unter einer Brücke durchgefahren sind. Später sehen wir einen herrlichen Sonnenuntergang.
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Marseillaise  Der Lotse erzählt André von einem Typ, der am Ufer wohnt, kuriose Geschichten. Bei jeder Schiffspassage soll er am Fenster stehen und winken. Als wir uns so gegen 22h der Stelle näherten, Ruf der Lotse diesen Typ per Funk an, erzählt ihm, dass ein Franzose (André) an Bord sei und er für uns doch bitte die Marseillaise spielen soll. Gesagt getan. Hoch von einer steilen Uferböschung, welche mit zahlreichen Fahnen geschmückt ist, wird uns das besagte Stück über den Fluss zugespielt. Silke erzählt uns, dass es bei Hamburg tagsüber ein Stelle gibt, wo offiziell auch für jedes Schiff die Nationalhymne gespielt wird.
Das Essen (III) Heute gibt es richtig guten Sonntags-Food. Zum Frühstück Spiegelei, Speck und Pommes Fritten. Zu Mittag ganz mildes Lamm und zum Abendessen Pizza mit Eiscreme. Silke schlägt das erste mal so richtig zu. Mhmm.
MO 21.5
Montréal Früh um halb fünf in der Früh wache ich schon auf. Die täglichen Zeitverschiebungen zeigen Wirkung. Also rauf auf die Brücke und die letzten Kilometern den St. Lorenzstrom hinauf geniessen. Ein herrlicher Sonnenaufgang empfängt uns in der Gegend von Montreal. Pünktlich wie angekündigt legen wir um 6 Uhr im Hafen an.
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Abschied Und plötzlich geht alles sehr schnell. 7h30 Frühstück. 8h Zollbeamte an Bord: Was die alles wissen wollen. Und wie die erst hellhörig wurden, als ich erzählt habe, dass ich Arbeit und Wohnung in der Schweiz gekündigt habe und ca. ein Jahr auf Reise gehen will. Irgendwie konnte ich meine ganzen Pläne dann doch genügend glaubhaft kommentieren, so dass mich die Einwanderungsbehörden doch nicht wegen Verdacht auf Schwarzarbeit gleich wieder zurückgeschickt haben. Dann kurz Abschiednehmen von den anderen Passagieren bevor wir dann mit zwei Taxis um 8h30 Taxi zum Hauptbahnhof von Montreal gebracht werden. Andre bleibt noch 3 Tage in Montreal. Silke, Ingrid und Hans-August gehen zusammen mit dem Zug nach Toronto.
Resumé Ich glaube man kann's erahnen. Es war toll. Die 8 Tage sind einerseits schnell vergangen, andererseits hatten wir oft den Eindruck, dass wir schon lange mit dem Schiff unterwegs waren. Werde ich je wieder eine Containerschiffreise unternehmen? Ich glaube nicht. Der Gedanke, einmal schwere See zu erleben, lässt mir schon hier auf dem Trockenen ein mulmiges Gefühl in der Magengegend aufkommen.
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