Montréal        21. Mai - 20. Juni 2001
 
Was gibt es hier neues zu lesen? Nun, viel einfacher ist es für mich aufzuzählen, was es hier nicht zu lesen gibt, nämlich ein detailliertes Tagebuch nach dem Motto:
Montagmorgen 8h30 aufgestanden; 8h45 geduscht; 9h15 im Bistro gefrühstückt und Zeitung gelesen; 10h mit Bus in die Stadt gefahren; 10h30 Museumsbesuch "Exposition de la..." etc etc.

Du findest hier auch nicht ein peinliches rufschädigendes Tagebuch wie: Dienstagnacht/Mittwochmorgen in der Bar "La Rose Rouge" hängengeblieben; 4h kein Bus mehr gefahren; 4h15 finde den Weg zu Fuss nicht mehr nach Hause; 4h30 Taxi gefunden; 5h ins Bett gekommen; 12h30 aufgestanden, Kopfweh, Kater, Aspirin genommen; 13h immer noch Kopfweh, noch ein Aspirin... 

Ja, ich kann Eure Enttäuschung verstehen, aber etwas Privatleben muss auch sein :-) ! Dennoch hoffe ich, für Euch etwas unterhaltsames zusammengestellt zu haben. Ihr findet ein paar Eindrücke, vielleicht ein paar Tips und Tricks, To-Do's and Not-To-Do's oder was auch immer. Und was Du bald merken wirst: Die Texte und Bilder sind nicht immer im Einklang. Also viel Spass. 

Pit

Und ja, Bildli können zum Vergrössern angeklickt werden...

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Downtown


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Downtown

Das Leben in der Grosstadt Gleich zu Beginn von meinem grossen Abenteuer hatte ich 4 Wochen Montréal eingeplant. "Was, so lange!" mögen einige von Euch denken. "Ist ja langweilig!".

Es war immer schon ein Wunsch von mir, einmal in einer wirklich grossen Stadt längere Zeit zu verbringen. Ohne Zeitdruck, ohne irgendwelche Verpflichtungen, ohne minutiös geplante Tagesprogramm. So lange bleiben, bis man sich ein wenig wie zu Hause fühlt, ein bisschen Insider wird und am alltägliches Leben teilnimmt, im Laden um die Ecke einkaufen geht, Kinos besucht, im Stadtpark sonnenbaden geht, Abends in ein paar Stammlokale geht und auch ein paar Leute kennenlernt. 

So war's denn auch. Nun, von Langeweile kann hier keine Rede sein. Oder anders gesagt: "Es hat mir saumässig gut in Montréal gefallen!" und ja, leider ist die Zeit in Montréal viel zu schnell abgelaufen.

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Gross und Klein
Neu und Alt

Montréal, eine Stadt zum leben? Montréal ist eine tolle Stadt. Reiselustig wie ich bin, habe ich schon viele Städte besucht und kennen gelernt. Sollte ich jedoch einmal auswandern, dann wird es schwer sein, nicht in Montréal zu landen.
Die Stadt ist nicht für's Business da, nicht für die Touristen, sondern primär für seine Bewohner. Die Stadt pulsiert. Schwer zu beschreiben, wie dieser Eindruck entsteht. Sind es die vielen Strassen, wo sich kleine Läden einer nach dem anderen endlos aneinanderreihen? 

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Vieux Montréal

Sind es die ganzen Strassenzüge mit wirklich guten und originellen Restaurants? Sind es die vielen kleinen einstöckigen viktorianischen Häuschen mit Treppen, Erkern und Balkonen? Sind es die Parks und die vielen grünen Bäume in den Strassen? Ist es das Frankofone und somit europäische Element? Wer weiss.

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Viktoriansche Häuschen

Zweisprachigkeit Aus Zeitungen und TV erwartete ich eine extrem intolerante, französisch sprachig orientierte Stadt. Man hatte in Zeitungsartikeln bei uns lesen können, wie in der Öffentlichkeit französisch per Gesetz privilegiert wurde und zum Beispiel in den Schaufenstern alles französisch angeschrieben sein soll.

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Kuppel der Biosphere

Was ich hier erlebt habe ist das pure Gegenteil. Zweisprachigkeit wird hier zelebriert. Wer hier nicht zweisprachig ist, lebt in der falschen Stadt. Da hört man Leute französisch reden mit diesem markanten amerikansichen Kartoffel-R, da wir mitten im Satz plötzlich die Sprache gewechselt, am Zoll oder wo auch immer wird man gefragt, in welcher Sprache man denn angesprochen werden will, da sagt der eine "au revoir" und der andere "bye bye". Extremer kann man Zweisprachigkeit nicht praktizieren. Montréal ist ein gutes Beispiel für viele andere Ort, wo Zweisprachigkeit eine Fluch ist und nicht ein Reichtum betrachtet wird.

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moderne Kunst

Anektote 1 Es ist Samstag Abend. Ich fahre mit dem Bus in die Stadt. Am Steuer des Busses sitzt eine Frau so vom Typ: "Hausfrau von nebenan". So ist auch nichts ausserordentliches dabei, dass sie, während sie den Bus durch den samstagabendlichen hektischen Stadtverkehr manövriert, ununterbrochen mit ihrer besten Freundin am Handy telefoniert. Das Handy hat sie dabei cool zwischen Kinn und Achsel eingeklemmt um so doch wenigsten die beiden Hände für das Steuerrad frei zu haben. 
An den Bushaltestellen ist es die Aufgabe des Chauffeurs, die Tickets und Abo's der einsteigenden Passagiere zu kontrollieren. Kein Problem, auch das geht problemlos gleichzeitig oder Neudeutsch "concurrent". Irgendwie bekommt man aber den Eindruck, dass sie es mit der Kontrollen der einsteigenden Fahrgäste nicht ganz so erst nimmt.

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Glastürme

Doch der Eindruck täuscht. Ein junger Fahrgast will in den Bus. Bevor dieser jedoch auch nur annähernd den Bus bestiegen hat und sich eines etwelchen Fehlverhaltens bewusst werden konnte, wird ihm kurz und deutlich klar gemacht, dass er den Bus mit DIESER brennender Zigarre nicht betreten wird. Das immer noch laufende Telefongespräch wird dabei nur für Sekundenbruchteile unterbrochen.
Wie ich dann den Bus am Wendepunkt im Zentrum verlasse, plaudert die Busfahrerin immer noch. Schliesslich man hat sich ja so einiges zu erzählen am Samstag Abend so von Hausfrau zu Hausfrau...

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Adlerhorst

Anektote 2 Öffentliche Verkehrsmittel in Montréal. Ja, das gibt es, neben Bussen auch eine Metro und die sind ziemlich gut ausgebaut und fahren angenehm oft und lang. Am Schalter erkundige ich mich nach den Preisen. Der Schalterbeamte erklärt mir die Preise:
- Einmalfahrkarten    CAD   1.50
- Tageskarten  CAD 6.00
- 3-Tages-Karten CAD 17.00
- Wochenkarten  CAD 13.50

Und noch bevor ich Nachfragen kann, ob ich wirklich richtig verstanden habe und das Wochenticket billiger ist als das 3-Tage-Ticket erläutert er mir, dass das 3-Tage-Ticket eigentlich nur für Kurzaufenthalttouristen gemachgt wurde und deshalb so teuer sei.... Ääääähm?

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Das Olympiastadion

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Formel-1 Strecke

Anektote 3 André, das ist der Franzose, den ich auf dem Kontainerschiff kennengelernt habe. Zuerst ist er noch ein paar Tage in Montreal geblieben war und wir sind noch ein paar mal Abends zusammen Essen gegangen. Anschliessend hat er mit dem Mietauto eine kleine Rundreise durch Quebec gemacht, um dann wieder von Montreal zurück nach Paris zu fliegen. Kurz vor seinem Rückflug haben wir uns noch einmal in Montreal getroffen. Dabei erzählt er mir folgende Geschichte:

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Kirchenleuchtturm im Hafen

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Erste Wolkenkratzer aus der Jahrhundertwende

Gemütlich braust er mit dem Mietauto über Land. Um sich die Fahrt etwas unterhaltsamer zu gestalten, hat er sich sein portable CD-Player ans Ohr gehängt. Unverhofft wird er irgendwann auf offener Strecke von einem Polizeiauto überholt und mit geschwenkter Kelle zum Anhalten gebracht.
Der Polizist erklärt ihm, das hier Tempo 90 und nicht 110 herrsche (obwohl hier die meisten diese Tempo fahren) und er ihm nun schon über 5 Kilometer mit voller Christbaumbeleuchtung (diese ist sehr beeindruckend und mit all den Drehlichtern kaum zu übersehen) folge. Ob er ihn denn nicht gesehen hätte? 
André muss ein guter Schauspieler sein. Irgendwie gelingt es ihm, sich mit einem freundlichen Verweis und ohne Busse aus der Affäre zu ziehen. Wahrscheinlich konnte er noch von einem "Ich-bin-auch-ein-Frankofone-Bonus" profitieren.
Anektote 4 Ich bin mit meiner Kuh unterwegs in Down-Town Montréal. Viele Ampeln gibt es hier. Und das geniale dabei ist, dass sie scheinbar auf Rote-Welle programmiert sind. Also Stop-and-Go ist angesagt.
Ampel: Neben mir steht ein Auto mit einem älteren Fahrer. Mit Kopfnicken und entsprechender Mimik bringt er seine Bewunderung für meine Kuh zum Ausdruck.
Nächste Ampel: Wieder steht er neben mir. Das Fenster geht runter. "Super Motto" sagt er.
Nächste Ampel: Er will wissen, was das Ding kostet! "20 Tausend" antworte ich ihm natürlich in akzentfreiem Französisch.
Nächste Ampel: "Was 2 Tausend nur?" meint er. "Nein, 20 Tausend!" korrigiere ich. "Was 20 Tausend?" sagt er, "JAAA..!" schreie ich. Das war wohl zuviel für den Alten. Er wirft sich vor Schreck die Hände vors Gesicht. Ob das wohl dem Betrag seiner Jahrespension entspricht?

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Chinatown

Das Gesundheits- system Stell Dir vor, Du bist mit dem Motorrad unterwegs. 
Stell Dir weiter vor, Du hast während der Fahrt für einen Moment das Helmvisier geöffnet. 
Stell Dir weiter vor, dass irgend so ein dummes blödes Vieh durchs offene Visier fliegt und sich zwischen Helm und Schläfe einklemmt. 
Stell Dir weiter vor, dass es plötzlich ziemlich pickst und Du einen kontrollierten Notstop machst und schleunigst den Halm vom Kopf reisst.
Stell Dir weiter vor, dass Du bei der Einstichstelle am anderen Tag etwas geschwollen bist, am zweiten Tag noch etwas mehr und dich am dritten Tag nicht mehr ohne Sonnenbrille unter die Leute getraust. Das ist der Moment, wo die mit dem lokalen Gesundheitssystem Kontakt aufnimmst....

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die Kuh...

Also zuerst einmal eine Apotheke suchen. Die findet man nicht so leicht. Da muss man schon danach fragen. Die Strasse stimmt, die Nummer stimmt, sieht aber nicht wie eine Apotheke aus! Dennoch, mal reingehen. Hinten in der Ecke ist eine Theke mit Pharmacie angeschrieben. Wunderbar. Nun mal kurz mein Problem aufzeigen und das Auge zur Schau stellen und schon bekommt man ein Packet Anti-Allergie-Pillen. Und ja, wenn's morgen nicht besser sei, dann solle ich doch lieber zum Arzt gehen.

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Das Monsterauge

Vierter Tag, die Schwellung ist noch grösser und das Auge noch kleiner geworden. Also dann zum Arzt. Die Putzfrau vom Studentenheim meint, ich solle doch gleich zur Emergency von Unispital gehen, welches gleich hier 100m um die Ecke sei. Gesagt, getan. Hier der Eingang für die Notfallwagen, dort der Eingang für die Fussgänger. 
Und dann läuft es wie folgt ab: Bei der Notfallschwester kurz antreten. Die beurteilt die Dringlichkeit mit 1 (hoch) bis 5 (niedrig). Ich bekomme eine 4. Dann weiter zur Registrierung. Für Kanadier gibt es die staatliche Krankenversicherung. Ausländer müssen direkt bezahlen. Die Registrierung kostet mich CAD 300 (CHF 345). Dann warten. Nach ca. 2 1/2 Stunden bin ich an der Reihe. Der Arzt schaut sich das kurz an, fragt, ob es weh tut, nein sage ich, komisch meint er. Da ich auf Reisen wäre, würde er mir um sicher zu gehen ein Power-Mittel geben (das hatten wir doch schon einmal?? Remember?) und ja, wenn es in zwei Tagen nicht besser wäre, dann solle ich noch einmal vorbei kommen. Arztkosten CAD 60 (CHF 69) und ein Rezept gratis dazu. Also wieder in die gleiche Apotheke und Pillen holen CAD 8 (CHF 9). Total CAD 368 (CHF 420). Und gut Glück, es war besser nach zwei Tagen. Dank oder trotz Medikamenten?

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Spital und Studentenheim



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Meine Suite im McGill Studentenheim

Und was sonst noch? Feste, Feste, Feste. Zweimal bin ich zufällig irgendwo in der Stadt an ein Strassenfest gestossen. Weiter sind viele grosse kulturelle Events und Feuerwerke angekündigt. Nach dem langen harten Winter scheint sich so einiges an Aktivitäten auf die Sommerzeit zu konzentrieren. Die Leute scheinen es voll zu geniessen

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Strassenfest

Noch nicht genug? Nun, das ist alles für den Moment. Hab ich was vergessen? Was willst Du unbedingt noch wissen? Du weisst ja, sende mir einfach eine Email mit Deinem Feedback. Bis zum nächsten mal.

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